Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10.10.2017 (Az.: 1 BvR 2019/16) wird es spätestens ab dem 1.1.2019 für sog. Intersexuelle möglich sein, als „inter“ oder „divers“ im Personenstandregister geführt zu werden.
Das „dritte Geschlecht“: BVerfG Beschluss gilt nicht für Transgender und Transsexuelle
Begründet wird die Entscheidung damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) die geschlechtliche Identität schützt und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierung wegen ihres Geschlechts schützt. Nach Auffassung der Richter werden „Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen … in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt“. Nicht von der Änderung des Personenstandgesetzes erfasst, sind sogenannte Transgender und Transsexuelle: Diese haben, im Gegensatz zu intersexuellen Menschen ein biologisch eindeutiges Geschlecht, zu dem sie sich jedoch psychologisch nicht zugehörig fühlen. Intersexuelle Menschen hingegen haben körperliche Besonderheiten (die äußeren Genitalien, den Chromosomensatz und die inneren Genitalien) aufgrund derer eine eindeutige Zuordnung zu männlich oder weiblich nicht möglich ist.
Gleichbehandlung: Auswirkung des geänderten Personenstandgesetzes auf das Arbeitsrecht
Die Entscheidung des BVerfG wird in der Rechtspraxis des Arbeitsrechts Auswirkungen haben: Zu nennen ist beispielsweise eine Anpassung an das dritte Geschlecht bezüglich Kleidervorschriften, Minderheitenquoten und der Formulierung in Stellenanzeigen. Zwar kennt das Arbeitsrecht im Grundsatz nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber, seit Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wird die Rechtsprechung jedoch auf die Zulässigkeit des dritten Geschlechts hin kritisch zu sehen sein: Der Begriff des Geschlechts im Sinne des AGG meint die biologische Zuordnung zu einer Geschlechtergruppe und ist damit ausdrücklich nicht auf männlich oder weiblich beschränkt. Um mögliche Diskriminierung rechtssicher zu verhindern, bedeutet dies in der Rechtspraxis beispielsweise, dass Stellenanzeigen nicht mehr nur den Klammerzusatz (m/w) führen, sondern um das Kürzel „div.“ oder „int.“ erweitert werden sollten.
Inwieweit die Einführung der weiteren Geschlechtskategorie und die damit verbundene mögliche Diskriminierung sich im Rahmen einer Betriebsratswahl auswirken könnte, ist noch unklar. Gem. & 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, welches in der Belegschaft in der Minderheit ist, entsprechend seines zahlenmäßigen Verhältnisses im Betrieb vertreten sein. Die Berechnung des Minderheitengeschlechts erfolgt nach dem sogenannten d’Hondtschen Höchtszahlverfahren: Bei einem 21 Personen starken Betrieb zum Beispiel müssten mindestens 6 Intersexuelle beschäftigt sein, um einen Mindestsitz im Betriebsrat zu erhalten. Laut Wikipedia wird die „Häufigkeit der Intersexualität … in Deutschland auf ca. 0,1% – 0,2% der Bevölkerung geschätzt“. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einem 21 Personen starken Betrieb 6 intersexuelle Personen arbeiten, ist demnach als höchst gering einzustufen. Um den Minderheitenschutz nicht auszuhebeln und den Zweck der Minderheitenregelungen des § 15 Abs. 2 BetrVG nicht zu konterkarieren, könnte die Vorschrift in Bezug auf das dritte Geschlecht dahingehend ausgelegt werden, dass es in einem Betrieb auch mehrere Minderheitengeschlechter und damit mehrere Minderheitenquoten geben kann.
Fazit: Gesetz für Gleichbehandlung unabhängig von der geschlechtlichen Zuordnung
Nach den Vorstößen des Gleichbehandlungsgesetzes zur Vermeidung der Diskriminierung von Frauen gegenüber Männern auf dem Arbeitsmarkt, scheint es nur folgerichtig, dass das Gesetz auf intersexuelle Menschen ausgeweitet wird: Gerade das Gleichbehandlungsgesetz soll Minderheiten schützen – intersexuelle Menschen stellen eine Minderheit dar, deren Grundrechte bislang verletzt wurden, da sie durch das Personenstandsrecht dazu gezwungen wurden, sich mit einem Geschlecht zu registrieren, dem sie biologisch nicht zugehörig sind. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ermöglicht es dieser Minderheit nun, sich als intersexuell einzutragen und damit vor Diskriminierung geschützt zu werden.