Grundsätzlich kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist, nur außerordentlich kündigen. In diesem Fall muss er der Bank zudem den Zinsausfallschaden, die sog. Vorfälligkeitsentschädigung, ersetzen. Allerdings räumt § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB dem Darlehensnehmer auch das Recht ein, einen solchen Darlehensvertrag in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zu kündigen. Wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen, so soll nach dem Wortlaut des Gesetztes der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs treten.
Demnach steht dem Darlehensnehmer nach 10 Jahren nach dem Abschluss einer solchen Kreditverlängerungsvereinbarung über den Sollzinssatz – die von den Banken auch als Konditionsvereinbarung, Prolongation, Vereinbarung über vorzeitige Anschlussfinanzierung oder Forward-Darlehen bezeichnet wird – ein Kündigungsrecht zu. Trotz der eindeutigen Formulierung des Gesetztes haben in der Vergangenheit zahlreiche Banken den Darlehensnehmern dieses Kündigungsrecht verwehrt und dabei behauptet, nicht der Zeitpunkt der Vereinbarung, sondern der Zeitpunkt des Ablaufs der ursprünglichen Sollzinsfestschreibungszeit setze die 10-Jahres-Frist in Gang.
Diese Streitfrage hat nun das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 24.04.20147 (Az.: 19 U 4269/16) im Sinne der Darlehensnehmer entschieden und die Revision zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzliche Bedeutung zugelassen. Nach Auffassung des OLG München kann § 489 Abs. 1, Nr. 3 Hs. 2 BGB aF (heute: § 489 Abs. 1, Nr. 2 Hs. 2 BGB) nicht entgegen seines eindeutigen Wortlauts dergestalt angewendet werden, dass für den Beginn der 10-Jahres-Kündigungsfrist nicht der Zeitpunkt der Kreditverlängerungsvereinbarung, sondern erst der Ablauf der vorherigen Zinsbindungsphase maßgeblich ist.
Für zahlreiche Darlehensnehmer, die mit ihrer Bank bereits vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Sollzinsfestschreibungszeit eine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen haben, ergeben sich hierdurch Möglichkeiten.
Zum einen besteht für betroffene Darlehensnehmer die Möglichkeit vor Ablauf der vereinbarten Sollzinsfestschreibungszeit, nämlich 10 Jahre nach Abschluss der Kreditverlängerungsvereinbarung, das Darlehen unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten ordentlich zu kündigen ohne der Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. Besonders lukrativ ist dies bei Kreditverlängerungsvereinbarung, die mehrere Jahre vor Ablauf der ursprünglichen Sollzinsfestschreibungszeit abgeschlossen wurden, um sich frühzeitig vermeintlich günstige Konditionen für die nächste Sollzinsfestschreibungszeit zu sichern.
Zum anderen besteht für viele betroffene Darlehensnehmer die Möglichkeit, eine bereits an die Bank gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung teilweise zurückzufordern. Denn die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung hängt auch maßgeblich von der Restlaufzeit des Darlehensvertrages ab, d.h. von dem Zeitpunkt, an dem sich der Darlehensnehmer frühestmöglich von den Darlehensverbindlichkeiten lösen kann.
Weil zahlreiche Banken bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung diesen Zeitpunkt eigenmächtig und fehlerhaft auf den Ablauf der neuen Sollzinsfestschreibungszeit und nicht auf 10 Jahre nach Abschluss der Kreditverlängerungsvereinbarung festgelegt haben und nach wie vor festlegen, haben zahlreiche betroffene Darlehensnehmer zu viel Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt, die noch heute teilweise zurückverlangt werden kann.