Steuerrückzahlungen in Milliardenhöhe – Bauträger falsch besteuert

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat einen lange offenen Rechtsstreit bezüglich der Besteuerung der Träger von Bauprojekten abschließend geklärt (Urt. vom 27.09.2018 – V R 49/17): Ein Bauträger, der „aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen […] versteuert, kann […] das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das Finanzamt besteht“. Dem Streit lag die Frage zugrunde, ob Handwerkerdienstleistungen, die Bauträger in Anspruch nahmen, von den Handwerksbetrieben oder den Bauträgern zu versteuern seien. Der BFH hat jetzt eindeutig festgestellt: Es ist an den Handwerkern, diese Steuern abzuführen. Damit ergeben sich für die Bauträger Steuerrückforderungen in Milliardenhöhe.

Steuerrechtswidrigkeit schon länger bekannt – Rückzahlungsbedingungen umstritten

Dass die übermäßig abgeführte Steuer rechtswidrig ist, stellte der BFH jedoch bereits mit einem Urteil aus dem Jahr 2013 fest. Daraufhin entwickelte sich ein wirres Konstrukt an Rückforderungen. Die Bauträger forderten vom Finanzamt ihre Steuer zurück. Die Finanzämter wandten sich daraufhin an die Handwerker, die in der Regel den Bauträgern Nettorechnungen, also ohne Umsatzsteuer gestellt hatten, da sie davon ausgingen, die Bauträger trügen die Steuern. Demnach stellten die Handwerker neue Rechnungen an die Bauträger, um die Umsatzsteuer mit im Preis einkalkuliert zu wissen. Das Finanzamt weigerte sich daraufhin, den Bauträgern ihre Beiträge zurückzuzahlen, wenn die Handwerker noch nicht die betreffenden Umsatzsteuern gezahlt hatten. Es lag das Paradebeispiel einer Pattsituation im Dreieck vor. Teilweise wurden die Forderungen der Handwerker gegen die Bauträger auch einfach an das Finanzamt abgetreten und vom Finanzamt gegen die Forderungen der Bauträger aufgerechnet. Doch das Urteil schaffte diesbezüglich nun Klarheit.

Rückforderung zulässig: Bauträger handeln nicht treuwidrig

Der BFH stellte nämlich im vorliegenden Urteil fest, in der Rückforderung liege kein treuwidriges Handeln der Bauträger, selbst wenn diese die Steuernachzahlung an die Handwerksbetriebe noch nicht geleistet hätten. Die Finanzämter hatten vorher argumentiert, es sei rechtsmissbräuchlich und eine unzulässige Rechtsausübung, wenn ein Anspruchsinhaber an einer formalen Rechtsposition festhalte, ohne ein schutzwürdiges Eigeninteresse zu haben. Das hat der BFH nun verneint: „Das Verlangen nach einer gesetzeskonformen Besteuerung […] ist entgegen der Auffassung des Finanzamtes weder treuwidrig noch eine unzulässige Rechtsausübung“. Weiter wird zudem vom BFH ausgeführt, die Grundsätze von Treu und Glauben hätten nur eine rechtsbegrenzende Wirkung innerhalb bestehender Schuldverhältnisse. Ein Entstehen oder Erlöschen von Steueransprüchen oder -schulden bewirkten sie jedoch nicht.

Sieg für Bauträger – Geschäftsführer des BFW ist zufrieden

So sieht das auch Christian Bruch, Geschäftsführer des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen: „Es kann doch nicht sein, dass die Steuerbehörden ein Gesetz falsch auslegen und dass die Korrektur dieser falschen Auslegung dann zulasten eines Beteiligten geht. Gerade die bei einer konsequenten Fehleinschätzung drohenden Steuerausfälle sollten die Finanzbehörde eigentlich anhalten, sehr sorgsam und im Zweifel für die Betroffenen Gesetze und Vorschriften auszulegen“.

Fazit: Rückforderungen zulässig – Länder besorgt über potentielle Zinsansprüche

Und so ist, obwohl sich eine seriöse Prognose bei allen Beteiligten als schwierig herausstellt, ist damit zu rechnen, dass die Länder den Bauträgern insgesamt zwischen zwei und acht Milliarden Euro zurückzahlen müssen. Dabei dürfte es wohl jedoch nicht bleiben: Viele der Unternehmen haben einen Verzinsungsanspruch auf die übermäßig gezahlten Steuern angemeldet. Dazu liegt jedoch noch keine Entscheidung vor, erste Urteile werden im kommenden Jahr erwartet. Dass die Länder zahlen müssen, steht also nunmehr fest. Wie hoch genau die zu erwartende Summe ausfallen wird, lässt sich wohl erst feststellen, nachdem die Urteile über die Zinsansprüche gefällt wurden.